Durch die Ernennung des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof in das Wahlkampfteam der Union ist dieser wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In der Vergangenheit hat der Professor für Finanz- und Steuerrecht ein Konzept zur Reform des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgearbeitet, welches erste Eindrücke vermittelt, was der Wähler im Falle eines Wahlsieges der Union unter einem Finanzminister Kirchhof zu erwarten hätte.
Die bisherige Diskussion kreiste vor allem um die Einfachheit des Konzepts und die Frage der Finanzierbarkeit. An dieser Stelle sollen daher die direkten Auswirkungen des Konzepts betrachtet werden, insbesondere auf Menschen mit geringem Einkommen.
In der Tat beeindruckt das Konzept durch seine Einfachheit. Der gesamte Text des EStG nimmt lediglich sechs Seiten ein. Die hier zu betrachtenden Eckpunkte sind:
Die aktuelle Gesetzeslage ist hingegen deutlich komplexer. Die für eine Gegenüberstellung mit dem Kirchhof-Modell benötigten Regelungen lassen sich jedoch zusammenfassen:
Im Folgenden soll der Einfachheit halber angenommen werden, daß vom
Steuerpflichtigen nur die Pauschbeträge in Anspruch genommen
werden. Wird nun für beide Modelle die fällige Einkommensteuer eines
ledigen alleinstehenden Arbeitnehmers in Abhängigkeit des
Bruttoeinkommens ermittelt, ergibt sich das in Abb. 1 gezeigte
Bild.
Abb. 1: Einkommensteuer in Abhängigkeit des Bruttoeinkommens |
Auf den ersten Blick zeigt sich, daß mittlere und hohe Einkommen besonders entlastet werden. Allerdings merkt Kirchhof durchaus plausibel an, daß diese Einkommensschichten aufgrund der vielen Steuervergünstigen auch bisher nicht die volle Einkommensteuer bezahlen.
Abb. 2: Einkommensteuer bei niedrigen Einkommen |
Abb. 2 zeigt die Auswirkungen des Kirchhof-Modells auf niedrige Einkommen. Durch die Kürzung der Pauschbeträge und den aufgrund der Nichtlinearität zunächst geringeren Steuersatz bedeutet das Kirchhof-Modell für Geringverdiener eine Steuererhöhung. Allerdings sind die Unterschiede vergleichsweise gering, die größte Differenz tritt bei einem Einkommen von 12.167 Euro auf und beträgt 148 Euro. Ab einem Einkommen von 16.140 Euro profitiert der Arbeitnehmer vom Kirchhof-Modell.
Alleinerziehende erhalten nach § 24b
ESTG einen zusätzlichen Freibetrag von 1.308 Euro. Wird dies in
der Berechnung berücksichtigt, ergibt sich die in Abb. 3 gezeigte
Situation.
Abb. 3: Einkommensteuerentwicklung für Alleinerziehende |
Die größte zusätzliche Belastung entsteht für Arbeitnehmer, die nach geltendem Recht noch gerade keine Einkommensteuer bezahlen müssen. Dies ist bei einem Einkommen von 12.380 Euro der Fall, nach dem Kirchhof-Modell wären hier bereits 357 Euro an Einkommensteuer fällig. Eine Entlastung der Alleinerziehenden findet erst ab einem Einkommen von 22.532 Euro statt. Ähnliche Überlegungen lassen sich für Behinderte oder Arbeitnehmer, die unentgeltlich Pflegedienste leisten, anstellen.
Nach der aktuell geltenden Rechtslage kann ein Arbeitnehmer
zusätzlich zu seiner Haupttätigkeit einer geringfügigen Beschäftigung
nachgehen, wobei die Sozialabgaben und Steuern pauschal vom
Arbeitgeber bezahlt werden. Dies hat zur Folge, daß die Einkünfte aus
der geringfügigen Beschäftigung nicht zu dem zu versteuernden
Einkommen gezählt werden. Da das Kirchhof-Modell eine solche
Subventionierung nicht vorsieht, ergeben sich bedeutende Änderungen,
welche in Abb. 4 für einen Nebenjob mit einem Monatseinkommen von
400 Euro dargestellt sind.
Abb. 4: Einkommensteuerentwicklung bei einem Nebenjob
Auch hier sind die Belastungen für geringe Einkommen am höchsten. Die größte Differenz liegt bei einem Einkommen von 16.750 Euro vor und beträgt 952 Euro. Erst ab einem Einkommen von 42.556 Euro wird ein Arbeitnehmer durch das Kirchhof-Modell entlastet, folglich wären in diesem Fall keineswegs nur Geringverdiener betroffen.
Obwohl die Frage der Finanzierbarkeit und einer Gegenfinanzierung nicht abschließend geklärt ist, stehen die ersten Verlierer des Kirchhof-Modells bereits fest. Es sind Menschen mit geringem Einkommen, für die das Konzept eine Steuererhöhung bedeuten würde. Insbesondere Menschen, die größere Belastungen tragen müssen, werden stärker zur Kasse gebeten.