IP-basierte Filter bei T-Com

T-Com, der Festnetzbetreiber der Deutschen Telekom AG, sperrt einige IP-Adressen. Vermutlich steht dies im Zusammenhang mit einem sogenannten Phishing-Angriff auf T-Com-Kunden. Von den Sperren betroffen sind unter anderem alle T-Online-Kunden.

Der Phishing-Angriff

Um den 2004-11-14 herum wurden von Unbekannten E-Mail-Nachrichten mit dem Absender Rechnung-Online@telekom.de verschickt, die den Eindruck erwecken sollten, sie stünden im Zusammenhang mit der Dienstleistung Rechnung Online der Konzerntochter T-Com <http://www.t-com.de/> der Deutschen Telekom AG. Die Nachrichten sollten die Empfänger dazu verleiten, ihre T-Com-Kundendaten auf einer besonderen Webseite einzugeben (vgl. Gefälschte Telekom-Seite verbreitet Trojaner <http://www.heise.de/newsticker/meldung/53231>, Meldung bei Heise Online vom 2004-11-14).

Die Sperre durch T-Com

Schon bald darauf wurde berichtet, daß ein Teil der gefälschten Seiten durch den US-amerikanischen ISP, der das Angebot für einen Kunden bereitstellte, gesperrt wurden, ein anderer Teil jedoch durch T-Com selbst (siehe Steffen Moser, T-Phishing <http://groups.google.com/groups?hl=en&lr=&threadm=cn862f%24hjd%2403%241%40news.t-online.com&rnum=1&prev=/groups%3Fsafe%3Dimages%26as_umsgid%3D%253Ccn862f%2524hjd%252403%25241%40news.t-online.com%253E%26lr%3D%26hl%3Den>, Usenet-Beitrag vom 2004-11-14; Jörg-Olaf Schäfers, Und sie sperren doch: Phishing-Filter bei der T-Com? <http://www.medienrauschen.de/archiv/2004/11/17/und-sie-sperren-doch-phishing-filter-bei-der-t-com/>, im Medienrauschen am 2004-11-17 veröffentlicht).

Diese Sperre wurden seitens der T-Com innerhalb des eigenen IP-Netzes aktiviert und betrifft alle IP-Kunden der Deutschen Telekom: nicht nur T-Online-Kunden, sondern auch z.B. auch Geschäftskunden. (Anderslautender Bericht: T-Online sperrt Websites <http://www.heise.de/newsticker/meldung/53483>, Heise Online, 2004-11-20.) Bei der Art der Sperrung (vermutlich eine sogenannte Null-Route im IGP der T-Com) ist eine Differenzierung nach T-Online-Kunden, Geschäftskunden und Kunden von bestimmten T-DSL-Resellern (letztere ohne eigene IP-Adressen) mit der derzeitigen Routing-Technologie kaum durchführbar. Nicht betroffen sind dagegen T-Com-Kunden, deren IP-Pakete lediglich über den T-Com-Backbone getunnelt werden. Hierzu gehören T-DSL-Kunden, die IP-Adressen von einem anderen ISP beziehen (welcher ISPgate oder ZISP nutzt). Kunden von ISPs, die lediglich IP-Dienstleistungen der T-Com unter eigenem Namen weiterverkaufen (z.B. über die t-ipconnect.de-Plattform) sind dagegen von den Sperren betroffen, da sie (unabhängig vom ISP) IP-mäßig im T-Com-Backbone angesiedelt sind.

Nebenwirkungen

Mittels passiver DNS-Replikation läßt sich feststellen, daß neben den in den E-Mail-Nachrichten genannten Webseiten eine Reihe zusätzlicher URLs betroffen sind. Die Webangebote scheinen unverfänglich zu sein, ein Anlaß zur Sperrung ist nicht zu erkennen:

Diese Liste von Webseiten ist zweifelsohne nur eine verschwindend kleine Teilmenge der tatsächlich betroffenen Seiten. Die Webseiten gehören zum Shared-Hosting-Angebot von iPowerWeb <http://www.ipowerweb.com>. Bei solchen Angeboten ist es üblich, tausende, wenn nicht gar zehntausende Webseiten über eine einzelne IP-Adresse ins Netz zu stellen. Hinzu kommt, daß die Unbekannten offenbar nach einem Einbruch fremde Webseiten mißbräuchlich abänderten, so daß auch die Inhaber der in den E-Mail-Nachrichten genannten Domains selbst nur Opfer sind (und, trotz entsprechender Aufräumarbeiten, weiterhin gesperrt werden).

Offene Fragen

Das Vorgehen der T-Com wirft einige interessanten Fragen auf:

Die rechtliche Zulässigkeit solcher Sperren dürfte dagegen weitestgehend geklärt sein, daß es keinen Rechtsanspruch auf ein ungefiltertes Internet gibt und Internet-Zugriff seiner Natur nach nur best effort sein kann. Die gezielte Verschlechterung der Dienstqualität ist zudem bei Privatkundenzugängen marktüblich (vgl. Bandbreitenbegrenzung von P2P-Anwendungen, Größenbeschränkungen von Postfächern für E-Mail, äußerst restriktive Spam-Filter).

Falls IP-basierte Sperren in dieser Form (mit erheblichen Nebenwirkungen und ohne sorgfältige, zeitnahe Pflege) tatsächlich hinnehmbar sind, wäre eine kosteneffektive Umsetzung der medienrechtlichen Anforderungen an deutsche Internet-Provider möglich. Die von T-Com nun vorgenommen Sperren sind fraglos experimenteller Natur, aber eine erfolgreiche, von den Kunden akzeptierte Durchführung wird sicherlich Vorbildcharakter für alle deutschen ISPs haben.

Nachtrag (2004-11-23): T-Com deaktivierte inzwischen die Sperren. Eine Stellungnahme liegt noch immer nicht vor.

Weitere Informationen zu Internet-Filtern

Revisions


Florian Weimer
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